Stellungnahme des NABU Aachen-Land zum Hochwasserrückhaltebecken am Broichbach oberhalb Broicher Weiher

1999

Zu der vorgelegten Planung können wir bedauerlicherweise nicht positiv Stellung nehmen. Insbesondere sehen wir die gesetzliche Forderung nach einer "Bewirtschaftung der Gewässer als Bestandteil des Naturhaushaltes" als nicht erfüllt an.

Des weiteren wird durch die Vorgehensweise der zentralen Hochwasserrückhaltung an einem Punkt nicht nur gegen das in der lokalen Agenda 21 angestrebte Ziel der Ressourcenschonung verstoßen - starker Eingriff in unberührte Landschaft - sondern auch gegen das Ziel, Renaturierung und Retention vor zentraler Rückhaltung zu stellen.

Nicht zuletzt lehnen wir als Eigentümer des an das HRB - Broicher Mühle angrenzenden Naturschutzgebietes diese Maßnahme ab, weil durch den massiven, irreversiblem Eingriff in den Grundwasserleiter insbesondere die beiden großen Quellen im Broicher Weiher nachhaltig geschädigt werden können. Im Falle der Realisierung des HRB - Broicher Mühle werden wir diesbezüglich Klage einreichen.

Mit der Einführung des § 1a in das Wasserhaushaltsgesetz wurde seitens des Gesetzgebers bewusst die Sicherung der ökologischen Gewässerfunktion und nicht - wie in früheren Fassungen des WHG - die Ausnutzung natürlicher Ressourcen zugunsten der Menschen in den Vordergrund gestellt. Die hier vorgestellte Planung dient einzig der reaktiven, repressiven Gefahrenabwehr und Schadenbeseitigung. Sie entspricht damit nicht der vom Gesetzgeber geforderten Abkehr von der sektoralen Betrachtungsweise hin zu neuzeitlicher, präventiver Betrachtungsweise.

So fehlt z.B. ein Konzept für die naturnahe Entwicklung der Gewässer im Einzugsgebiet des Broichbaches gänzlich. Potentielle Retentionsräume wurden nur unzureichend ausgeschöpft, obwohl die Beseitigung von Abkippungen in der Talaue ein wesentlich günstigeres Verhältnis zwischen Abgrabungs- und Rückhaltevolumen mit sich bringt (z.B. Flächen zwischen Broich und Pumpstation Broichweiden.).

Die Vorgehensweise, die Hochwasserrückhaltung in einem ökologisch sensiblen Bereich wie hier am Broichbach zu betreiben, halten wir auch gesellschaftspolitisch für äußerst bedenklich, wird doch dadurch der Druck von den Kommunen genommen, Niederschlagswasser vor Ort zurückzuhalten, zu versickern oder gedrosselt weiterzuleiten.

Die in der Planung ausgewiesenen Retentionsräume stellen nach unserer Ansicht nur ein Feigenblatt in der Planung dar. Wohlwissend, dass ein Rückhaltebecken im Bereich der Broicher Mühle mit einem Volumen von 107.000 cbm und einem irrwitzigen Abgrabungsvolumen von 542.000 cbm mit der daraus resultierenden Zerstörung des Landschaftsbildes der Talaue weder den Genehmigungsbehörden noch den Trägern öffentlicher Belange zuzumuten ist, wurden diese drei Retentionsräume - konzeptionell mit dem Gewässer unzusammenhängend - in die Planung eingebracht. Mit den vorgegebenen Rahmendaten durch den Auftraggeber hatte offensichtlich auch das Landschaftsbüro Schulz seine Probleme. Die Aussage "... es wurden aber schon ... viele Entscheidungen getroffen, die das Vorhaben prägen oder präjudizieren, jedenfalls aber ein Abrücken vom vorgesehenen Standort und der avisierten technischen Konzeption aus Sicht des Projektträgers erschweren" lässt deutlich erkennen, welch enger Rahmen dem Planer durch den Auftraggeber abgesteckt wurde. Wie auch das Büro Schulz kommen wir zu der Auffassung, "dass die Beeinträchtigungen des Boden- und Wasserhaushaltes im Bereich des Planungsgebietes nicht im vollen Umfang kompensiert werden können."

Betrachtet man im Bereich des Broichbachtales und der Seitentäler alle anthropogenen Eingriffe in die Landschaft, dann kommt man zu der Schlussfolgerung, dass es in diesem Gebiet mehr als genug Abgrabungen und Aufkippungen gegeben hat und weitere nicht mehr hinnehmbar sind. Der halbwegs intakte Rest bäuerlicher Kulturlandschaft, Bruchwald sowie die restlichen Waldparzellen dürfen nicht weiter beeinträchtigt werden. Ein wesentliches Problem von Eingriffs- und Ausgleichsbilanzen ist die Bewertung nicht monetärer, nicht wäg- und kaum messbarer Begriffe wie Schönheit, Eigenart und Harmonie eines Landschaftsbildes. Schönheit der Landschaft ist keine eigenständige Erfassungs- und Bewertungsgröße, sondern das Ergebnis der naturraumtypischen Eigenart. Zerstört man diese im Bereich des Broicher Weihers, so kann sie nicht durch "Ausgleichsmaßnahmen" an anderer Stelle wiederhergestellt werden. Ebenso können Renaturierungsmaßnahmen nicht als Ausgleich für ein HRB gewertet werden. Die Wiederherstellung der Gewässer als leistungsfähigen Bestandteil des Naturhaushaltes ist ureigenste Aufgabe des WVER. Da Renaturierung zu seinen Pflichtaufgaben gehört, kann er sie nicht als Ausgleich durchführen!

Zusammenfassend gelangen wir zu der Ansicht, dass die hier vorgelegte Planvariante äußerst natur- und landschaftsunverträglich ist. Da von Seiten der für den Broichbach zuständigen Wasserverbände immer nur Gewässerausbau mit der Folge eines schnelleren Abflusses getätigt wurde, erwarten wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Kehrtwende des Denkens und Handelns. Diese ist enttäuschenderweise nicht erkennbar und wir sehen uns weiterhin mit der Tatsache konfrontiert, dass keiner der bisher zuständigen Wasserverbände auch nur einen Meter Broichbach renaturiert hat.