AN, 12. September 1997

Nach der Auszeichnung den Wald im Wurmtal erkundet

Herzogenrath ist die erste Naturwald-Gemeinde im Revier

Von Georg Hupfauer

 

Herzogenrath. Einst haben Herzöge rund um die Burg fleißig gerodet: Vom Wald im Wurmtal ist nicht viel übrig geblieben. Die restlichen 130 Hektar im Stadtgebiet Herzogenrath werden dank nachhaltiger Waldwirtschaft noch lange erhalten bleiben.

 

Darauf setzt auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) seine Hoffnungen. Der NABU zeichnete gestern die Stadt als Naturwald-Gemeinde aus, weil sie sich durch Ratsbeschluß dafür entschieden hat, den Wald ohne Kahlschläge und Chemie-Einsatz zu bewirtschaften. Zudem wird im Bereich Further Wald ein Teil (mehr als sechs Prozent der gesamten Waldfläche) völlig aus der Nutzung genommen. Damit waren noch vor der Verleihung der Urkunde alle Kriterien erfüllt, wie der NABU-Landesvorsitzende Josef Tumbrinck aus Münster feststellen durfte.

 

Herzogenrath ist mit dieser Auszeichnung Vorbild für das Aachener Revier, wie Stadtdirektor Gerd Zimmermann und Bürgermeister Gerd Schwartz stolz bekundeten. Bundesweit nimmt die Stadt Platz fünf ein; im Land Nordrhein-Westfalen sogar Platz drei - noch vor Münster, das heute ausgezeichnet wird. Angeregt hatte der örtliche NABU-Vertreter Günter Venohr die Bewerbung um den Titel.

 

Der Wald in Herzogenrath, so Tumbrinck, werde nun nicht zum Urwald. Er werde weiter als Kulturwald genutzt, aber verträglich gepflegt und gefördert. Dazu zählt auch eine natürliche Verjüngung des Forstes. Für die Stadt sprachen Umweltamtsleiter Ulrich Wigand und Revierförster Herbert Koch von einem hohen Druck, der auf dem Wald laste, weil dort viele Menschen Naherholung suchen. Diese Leute identifizieren sich mit ihrem Wald, jede Maßnahme werde interessiert beobachtet und kritisch diskutiert.

 

Der Auszeichnung im Rathaus folgte eine kurze Wanderung  durch den Wald bis zum Ufer der Wurm. Hierbei erkundeten die NABU-Vertreter unter  anderem den Baumbestand. So entdeckten sie am Bahndamm zwei Hainbuchen (Baum des Jahres), vor einem gesunden Stamm steht dort wie ein Naturdenkmal einer als Totholz. Förster Koch bezeichnete die Natur als "unser aller Anliegen, als eine Summe von Prozessen, die das Leben auf der Erde beeinflussen. Dabei kann man den Einfluß des Menschen nicht einfach auf Null zurückführen."

 

 

AVZ, 19. Juli 1995

Viel besser als Gefängnis

Projekt "Alte Dorfschule"

Von Thomas Gelnar

 

Alsdorf. Noch ein bißchen verlegen stehen die vier Jugendlichen um die Werkbank herum. Schließlich sind sie nicht ganz freiwillig in der Dorfschule "angetanzt". Auch Karl Gluth vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und sein Kollege Werner Geselle wissen, daß die jungen Männer vom Jugendgericht zu der Arbeit "verdonnert" wurden, die sie nun gemeinsam verrichten. 

 

Beim Bau von Nistkästen legt sich dann aber das mulmige Gefühl. "Normalerweise müssen die Jugendlichen Mülleimer leeren oder Gartenarbeiten verrichten", weiß der Jugendgerichtshelfer Michael Raida, der die straffällig gewordenen Jungs betreut. Ihnen mit den sozialen Stunden zu helfen, anstatt sie zu bestrafen, ist seine Arbeit. In dem Ofdener Kinder- und Jugendtreff "Alte Dorfschule" sollen sie nicht nur ihre Zeit absitzen, sondern sinnvoll einsetzen, vielleicht auch etwas für sich mit nach Hause nehmen. Denn die Naturschützer Gluth und Geselle zeigen ihnen nicht nur, wie man ein paar Bretter aneinandernagelt.

 

Sie wissen, welcher Vogel welchen Nistkasten benötigt, welches Holz man dazu braucht und wo das fertige Produkt aufgehängt werden muß. Außerdem warten sie mit den Problemen der gefiederten Freunde auf, von denen die Jugendlichen in der Regel keine Ahnung haben. So erhoffen sich die Stadt und der Fachbereich Jugend, das Umweltbewußtsein zu fördern. Gluth weiß den Jugendlichen ein Beispiel aus der hiesigen Region zu geben: "In Hoengen werden jetzt 160 Jahre alte Birnbäume gefällt." Er klärt unter anderem auf über das Bauerleichterungsgesetz, das es möglich macht, die Bäume für das Neubaugebiet "Am Krickelsberg" zu fällen.

 

An der Werkbank, die der Leiter des Treffs an der Dorfstraße, Günther Kiefer, aus seinem "Fundus" hinzusteuern konnte, müssen die Jugendlichen 30 Stunden verbringen. 20 hat der 15jährige, der wegen Körperverletzung zu dieser Arbeit herangezogen wurde, schon abgeleistet. Beim Unterrockfestival, bei dem auch die "Alte Dorfschule" aktiv war, hat er den Auf- und Abbau der Bühne mitgemacht. Wenn er mit seinen Kollegen zusammen die Nistkästen aufgehängt hat, steht für ihn eine Exkursion durch das Broichbachtal auf dem Plan.

 

Über Steinkäuze, Schleiereulen und Feldsperlinge, denen sie mit den Kästen ein Heim geben werden, wissen sie dann schon bestens Bescheid.

 

Die Nabu-Leute werden sie dann auch über das Verschwinden der ökologisch wertvollen Obstwiesen aufklären und versuchen, ihre Augen für die Natur zu öffnen. Mit Rat und Tat zur Seite steht den Betroffenen auch der Sozialarbeiter Ralf Schwarzenberg.

 

Vorläufiges Fazit eines Teilnehmers nach dem ersten Treffen: "Ganz bestimmt besser als Mülleimer leeren..."