Das Loch in der Landschaft:

rekultivieren oder renaturieren?

von Wolfgang Voigt

Mit der Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung sind heutzutage in der Regel noch Rekultivierungsauflagen verbunden. Leider sind diese bei der Verwirklichung oft genug veraltert und entsprechen nicht den derzeitigen Erkenntnissen über ökologische Zusammenhänge. Die Genehmigungsbehörde schreibt im allgemeinen, aufgrund von geltenden Landesgesetzen, ebenerdiges Verfüllen und Auftragen von Mutterboden vor.

In der Praxis sieht dies im Prinzip so aus, dass nach Gewinnung der Bodenschätze die Grube mit Bauschutt, Erdaushub (aus Baumaßnahmen) bzw. Müll aufgefüllt wird. Gerade das Einbringen von Abfall bringt wegen der Grundwassernähe mannigfaltige Probleme mit sich. Die anschließend aufgebrachte Bodendecke stammt entweder aus anderen Maßnahmen des betreffenden Nutzers oder z.B. (in unserem Bereich häufig) aus der Lössabtragung im Zuge des Braunkohle-Tagebaues.

Die so “gewonnenen” Flächen werden dann der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Nicht selten handelt es sich bei den entstehende Forsten um ausgesprochene (Nah-)Erholungswälder oder gar Freizeitparks.
Gelegentlich werden größere Abgrabungsgebiete in Seen verwandelt, dann aber fast durchweg zu Zwecken der Freizeitgestaltung geplant und ausgeführt. Die Nutzung der zu rekultivierenden Bereiche für die Anlage von Schießplätzen oder Motocross-Strecken ist eigentlich schon nicht mehr zu verstehen, zeigt aber, wie sehr die Gruben als Un-Land betrachtet werden.
Rekultivierungsmaßnahmen im eigentlichen Sinne mögen dort noch zu vertreten sein, wo von der Abgrabung Landwirtschaftsbereiche bzw. ausgesprochene Holznutzungsgebiete betroffen gewesen sind. Häufig sind es aber gerade intakte Ökosysteme, welche durch die Bodenschatz- Gewinnung zerstört werden. Hier ist vor allem eine Renaturierung zu fordern.

In der Tat kommt es gelegentlich vor, dass solche Auflagen bereits gemacht werden. Aber auch hierbei erfolgen meist vorab Verfüllungen; Landschaftsarchitekten planen die zukünftige “Natur” durch, oft unter Rücksichtnahme auf kommunale Wunschvorstellungen, nicht immer nach Ermittlung gegebener Standortbedingungen. Somit ist der Kostenfaktor (alleine schon für die Planung) enorm, der Nutzen für den Naturhaushalt oft genug fraglich.
Man sollte sich verstärkt in Erinnerung rufen, dass doch die Natur selbst der beste Landschaftsplaner ist. Überall wo der Mensch z.B. Siedlungs- oder sonstige Nutzungsbereiche verlässt, erobert sie sich das Areal zurück und gestaltet Standorte für funktionierende Lebensgemeinschaften. Allerdings geht dies nicht von heute auf morgen.

Haben wir zu wenig Geduld? Muss alles möglichst schnell nach etwas (nach Natur?) aussehen? Dauert uns die natürliche Sukzession bis zum Klimaxstadium zu lange?
Wir sollten dabei nicht vergessen, dass auch die Zwischenstadien wie z.B. Pioniergesellschaft, Hochstaudenflur, Verbuschung und Verwaldung ihren ökologischen Wert haben und durchaus auch ästhetisch reizvoll sind. Zudem werden die Pflanzenbestände zum Nulltarif geliefert. Diese Tatsachen sollten den (freilich geringeren) finanziellen Aufwand lohnend erscheinen lassen, der durch Ankauf oder Anpachtung von aufgelassenen Abgrabungen entsteht.
Vor allem sollten solche “Lebensräume aus zweiter Hand” (sogenannte Sekundärbiotope) als kleiner Ersatz für umfangreich zerstörten Naturraum einzufordern sein.

Alsdorf, im August 1987