Gerhard Moll 2004
Gerhard Moll 2004

NABU-Ehrenvorsitzender Gerhard Moll


Gerhard Moll war von 1976 bis 1989 Vorsitzender unseres Verbandes.
Seit 24. Februar 1989 war er Ehrenvorsitzender.


Hier eine Würdigung, die sein Nachfolger Wolfgang Voigt zur Vollendung seines 80. Lebensjahres für die Zeitschrift CHARADRIUS geschrieben hat:


 

 

 

 

 



Am 27. April 1993 ist es also soweit: Unser Herr Moll wird 80 Jahre jung. Als man mich gebeten hat, einige Zeilen über ihn zu schreiben, habe ich spontan zugesagt, sehr wohl wissend, wie schwer es ist, in einer kurzen Würdigung diesem engagierten Naturschützer und hervorragenden Vogelkenner gerecht zu werden. Lehre und Naturschutz haben neben der Familie sein Leben bestimmt, nur unterbrochen durch Wehrdienst und Gefangenschaft. So hat ihn die Schule nie losgelassen, nachdem er das Realgymnasium in Rostock besucht hatte. Selbst heute, lange nach seiner Pensionierung als Grundschul-Rektor in Alsdorf, fühlt er sich in der Rolle des Lehrers noch wohl, an der RWTH Aachen, im Kreise seiner Studenten. Das hält jung! Auch mein erster Kontakt mit ihm hat mit Schule zu tun: 1982 ist in seinem geliebten Broichbachtal neben einer Tageserholungsanlage eine sogenannte "Ruhezone" für Pflanzen und Tiere fertiggestellt worden, für die er und seine Mitstreiter aus der 1969 gegründeten Alsdorfer DBV-Ortsgruppe mit viel Engagement und Sachkenntnis gekämpft hatten. Seine Anfrage an unserer Schule brachte die Gründung der Gruppe Broichbachtal und damit die Betreuung und Erforschung des neugeschaffenen Biotops. Bis das Schüler-Lehrer-Team auf eigenen Beinen gestanden ist, hat sein Rat die Arbeit begleitet. Faszinierend dabei seine Art, mit Jugendlichen umzugehen und sie zu begeistern. Vom Sextaner bis zum Abiturienten sind alle Altersstufen vertreten gewesen.

Noch breiter ist das Altersspektrum gefächert, wenn er bei seinen zahlreichen Vorträgen, bei Seniorennachmittagen, vor Vereinsmitgliedern, Studenten, Schulklassen und an Volkshochschulen seine Zuhörer gleichermaßen in seiner humorvollen Art fesselt. Dann gilt es, von seinen zahlreichen Reisen zu berichten, die ihn rund um den Globus geführt haben und sicherlich noch führen werden. Seine Reiselust - und nicht sein Alter - ist es wohl gewesen, die mir 1989 die ehrenvolle, aber schwere Bürde bescherten, im DBV-Kreisverband Aachen von ihm den Vorsitz zu übernehmen, den er seit 1976 innehatte. Öfter als bis dato hat seither die Frage die Runde gemacht: "Ist er da - ist er verreist?" Selbst die wenigen Eingeweihten sind manchmal vor Überraschungen nicht sicher, gibt es doch neben seinen länger bekannten Unternehmungen immer wieder Spontanfahrten.

Übrigens, was macht man, wenn man mit dem Fernglas vor den Augen bei der Feldbeobachtung in eine Mäuseloch (oder ist es ein Kaninchenloch gewesen?) tritt und sich einen Muskelriss zuzieht? Man startet die geplante Weltreise mit Krücken, vorausgesetzt, man heißt Gerhard Moll. Trotz solcher Belastungen hat er von 1961 bis 1993 die Arbeit des Ornithologischen Vereins Aachen (OVA) als Vorsitzender wesentlich geprägt.

Von den unzähligen offiziellen Exkursionen unter Leitung des gebürtigen Mecklenburgers und Wahl-Rheinländers sei hier nur die traditionelle Mai-Exkursion durch das Broichbachtal erwähnt. Seit 1974 findet sie alljährlich am 1. dieses Monats statt. Seinerzeit startete man halb drei Uhr in der Nacht (!) mit immerhin 14 (!) Teilnehmern, darunter 5 (!) Schülern. Mittlerweile ist sechs Uhr in der Frühe Startzeit, und meist sind so viele Naturfreunde dabei, dass man sich in mehrere Gruppen aufteilen muss. Dank der Kontakte, die Gerhard Moll zu den belgischen und niederländischen Verbänden geknüpft hat, ist die Wanderrunde oft genug international oder sagen wir heute besser: europäisch.
OVA und Naturschutzbund sind für solchen Ansturm bestens gerüstet: Hat Herr Moll doch in all den Jahren viele Vogelstimmenexperten, aber auch Sachkenner in Natur- und Umweltschutz um sich geschart.
Große Sorge hat ihn allerdings bereitet, dass seine Beobachtungsergebnisse aus über 4.000 Exkursionen, seit 1953 festgehalten in 53 dicken Tagebüchern, unausgewertet bleiben könnten. Erleichterung dann, als ein Alsdorfer Biologie-Student sich bereit erklärt hat, das Material zu sichten. Das Ergebnis ist unter dem Titel "Die Vögel im Norden des Kreises Aachen" erschienen, herausgegeben von der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen als Band 33, insgeheim Molls Lebenswerk. Übrigens: Der Autor Hartmut Fehr ist einst Schülermitarbeiter in unserer Gruppe Broichbachtal gewesen. Hier schließt sich ein kleiner Kreis; da kommt einem der Gedanke von Aussaat und Ernte... Auch wenn in dieser knappen "Würdigung" einiges an Lokalkolorit steckt, so wird sich vielleicht so mancher anderswo in irgendeiner Weise wiedererkennen. Und nicht nur er wird sich meinen Glückwünschen anschließen wollen!


(Text: Wolfgang Voigt, aus: CHARADRIUS, Heft 1/1993)

 

 

Nachtrag: Gerhard Moll verstarb am 02.09.2006 im Alter von 93 Jahren.

 

 

 

Nachruf

 

Wir trauern um unseren Ehrenvorsitzenden und unser Ehrenmitglied

Gerhard Moll

 

Träger des Bundesverdienstkreuzes

Inhaber des Alfred-Steeger-Preises

Inhaber des Rheinlandtalers des Landschaftsverbandes Rheinland

Träger der Goldenen Ehrennadel des Naturschutzbunds Deutschland

 

Er verstarb am 2.September 2006 in Alsdorf im Alter von 93 Jahren.

Gerhard Moll war der Nestor und Mentor der Naturschützer und der Ornithologen in und um Aachen. Er war Vorsitzender des Ornithologischen Vereins von 1961 bis 1993 und Gründungsvorsitzender der Kreisgruppe Aachen-Düren des Deutschen Bundes für Vogelschutz im Jahre 1976, aus dem später der Stadtverband Aachen und die Kreisverbände Aachen und Düren des Naturschutzbunds Deutschland hervorgingen.

Nach seiner Pensionierung vom Schuldienst 1975 war Gerhard Moll noch viele Jahre ehrenamtlicher Lehrbeauftragter für das Fach „Didaktik der Biologie“ an der Pädagogischen und später an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Viele seiner Schüler und Studenten sind später als Lehrer oder in anderen Berufen der Biologie und der Vogelkunde treu geblieben und haben sich im Naturschutz engagiert.

Gerhard Moll hat Zeit seines Lebens alle vogel- und naturkundlichen Beobachtungen sorgfältig aufgezeichnet und in zahlreichen Zeitungsartikeln über die Vogelwelt seines Heimatkreises berichtet. Seine Beobachtungen und die seiner Mitstreiter waren oft die Grundlage, um die Schutzwürdigkeit wertvoller Biotope zu dokumentieren und geplante Landschaftseingriffe sachgerecht zu beurteilen. Sie haben in vielen, leider nicht in allen Fällen bewirkt, dass unötige Eingriffe verhindert oder zumindest gemildert werden konnten.

Bei allem entschiedenen Einsatz für die Belange des Naturschutzes hat Gerhard Moll immer persönliche Fairness walten lassen und auch das Recht und die Ansicht der Gegenseite geachtet. Diese Haltung hat ihm bei allen Verhandlungen den Respekt und die Achtung auch der Behördenvertreter eingetragen, so dass sein Rat immer gefragt war.

Wir wollen in seinem Sinne weiter wirken.

 

Dr. Gerhard Erdtmann, Ornithologischer Verein Aachen   

Claus Mayr, NABU Stadtverband Aachen  

Karl Gluth, NABU Kreisverband Aachen-Land   

Maria Esser, NABU Kreisverband Düren

 

 


Gerhard Moll

* 27. April 1913 – + 2. September 2006

 

Im Alter von 93 Jahren starb Gerhard Moll in Alsdorf. Ihn betrauern viele Naturschützer und Vogelfreunde im Aachener Raum; er war für Jahrzehnte ihr spiritus rector. Gerhard Moll kam in Warnemünde als Sohn eines Elektrohändlers zur Welt. Er besuchte das Lehrerseminar in Güstrow und begann danach seine Laufbahn als Volksschullehrer in Goldberg, wo er auch seine spätere Frau kennen lernte. Mit Beginn des zweiten Weltkriegs wurde er eingezogen, wurde Offizier und kam in einer Flakabteilung im Russlandfeldzug bis nach Stalingrad, konnte aber, weil er wegen einer Gelbsucht ins Lazarett musste, dem Kessel rechtzeitig entkommen. Bei Kriegsende geriet er an der Westfront in Kriegsgefangenschaft. Nach der Entlassung kam er nach Hannover und später, auf der Suche nach einer Lehrerstelle, nach Alsdorf, einer wegen seiner wertvollen, für den

Wiederaufbau dringend benötigten Steinkohle wirtschaftlich aufstrebenden Stadt. Moll wurde Lehrer an der evangelischen Volksschule in Alsdorf-Kellersberg, später deren Leiter und 1969 Rektor der Grundschule in Alsdorf-Schaufenberg. Gerhard Moll hatte sich schon in seiner Jugend für die Natur interessiert und mit botanischen Studien begonnen. Das Interesse für die Vogelkunde begann, wie er manchmal erzählte, im Lazarett, in das er nach seiner Erkrankung gekommen war. Hier hatte er Zeit, den Gesängen der Vögel zu lauschen, und es gab offenbar auch Bücher, mit denen er sich weiterbilden und die Stimmen zuordnen konnte. Ob der Hang zur Vogelkunde „in der Familie lag“? Auch sein Bruder Werner in Hannover war ein aktiver und bekannter Ornithologe, und der etwas ältere Vetter Karl-Heinz Moll hat sich vor allem mit dem Schutz der Fisch- und Seeadler an der Müritz einen Namen gemacht. In Alsdorf jedenfalls begann Gerhard Moll, die Vogelwelt seiner neuen Heimat zu erkunden. Auf dem täglichen Schulweg und auf vielen Wanderungen in der Umgebung wurden alle beobachteten Vögel in das sorgfältig geführte Tagebuch eingetragen. Der erste Eintrag stammt vom 1. Weihnachtstag 1952, der letzte von Ende Juni 2006. Am 1. Januar 1954 wurde er Mitglied im Ornithologischen Verein Aachen. Dieser Verein war 1951 auf Betreiben von Hans-Edmund Wolters, damals Lehrer in Geilenkirchen, und Hans Limberg, Buchhändler und Verleger in Aachen, gegründet worden. Laut Satzung bezweckte der Verein „die Förderung der Vogelkunde nach allen Richtungen, der sachgemäßen Durchführung des Vogelschutzes, der Zucht der in- und ausländischen Sing- und Ziervögel sowie der Kanarien. Er verfolgt diese Zwecke auf gemeinnütziger Grundlage und erstreckt seine Tätigkeit über den ganzen Regierungsbezirk Aachen“. Im Jahre 1961, als Wolters einem Ruf an das Museum Alexander König in Bonn folgte, wurde Gerhard Moll zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Unter seiner Aegide trat das Vereinsziel Vogelschutz deutlich in den Vordergrund, und das Kennenlernen der einheimischen Vögel und ihrer Habitate war dafür eine wichtige Voraussetzung. Mit zahlreichen Zeitungsartikeln über die einheimische Vogelwelt und seine Beobachtungen weckte er Interesse. Bei den allmonatlich stattfindenden Exkursionen fanden sich immer mehr interessierte Menschen ein, der Ornithologische Verein zählte bald über 100 Mitglieder. Vor allem aber war Gerhard Moll auch aktiv im Deutschen Bund für Vogelschutz tätig. 1969 gründete er mit anderen Mitstreitern die Ortsgruppe Alsdorf. Als 1976 mit dem neuen Bundesnaturschutzgesetz die Naturschutzverbände ein Mitspracherecht bei Landschaftseingriffen erhielten, wurde der Kreisverband Aachen-Düren ins Leben gerufen, und Gerhard Moll zum ersten Vorsitzenden gewählt. Die Verbandsbeteiligung erforderte aber bald einen so großen Arbeitsaufwand, dass eine Aufteilung auf die den Verwaltungsgrenzen entsprechenden Kreis verbände Düren und Aachen und den Stadtverband Aachen notwendig wurde. Als lockeres Band blieb der Ornithologische Verein Aachen, dessen Mitglieder aus allen drei Kreisen stammen, und die oft auch gleichzeitig Mitglied im NABU sind. Monatsversammlungen und naturkundliche Exkursionen werden seither von OVA und NABU gemeinsam organisiert. Mit viel Energie und großem Geschick setzte sich Gerhard Moll auch für die Erhaltung und den Schutz der letzten naturnahen Bereiche im Kreis Aachen ein, in dem dicht besiedelten und industrialisierten Umfeld ein nahezu aussichtsloses und deshalb umso wichtigeres Unterfangen. Seine umfassenden Kenntnisse und sein ausgewogenes Urteil verschafften ihm auch Respekt bei Vertretern der Landschaftsverbraucher und bei Behörden. Für seine Verdienste um den Naturschutz wurden ihm im Jahre 1983 das Bundesverdienstkreuz und im Jahre 1991 der Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland verliehen. Vom NABU erhielt er 1993 die Goldene Ehrennadel. 1972 ließ Gerhard Moll sich in den Ruhestand versetzen, aber er blieb der Pädagogik treu. Seither

wirkte er an der Pädagogischen Hochschule und später an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen als ehrenamtlicher Lehrbeauftragter für das Fach „Didaktik der Biologie“. In seine sorgfältig vorbereiteten Vorlesungen, die sich vorwiegend mit der Ornithologie befassten, kamen nicht nur die Studenten, die dort „ihre Scheine machen“ wollten, sondern auch viele Hörer in gesetzterem Alter. Vor allem die Exkursionen zum Studium der Vogelstimmen, obwohl schon früh am Morgen angesetzt, waren bei den Studenten sehr beliebt. Und unter den Biologiestudenten galt es schon fast als Ehrensache, einmal an einer der naturkundlichen Exkursionen in die Camargue oder in die Alpen, nach Kärnten, teilgenommen zu haben. Dort lebte man für einige Tage in einer urigen Berghütte ohne Strom, und bei der Morgenwäsche am Gebirgsbach konnte man die Natur wirklich hautnah erleben. Viele seiner Schüler und Studenten sind später der Vogelkunde und dem Naturschutz treu geblieben, manche auch in ihrem Beruf, wenn sie eine der wenigen freien Stellen auf diesem Gebiet finden oder sich selbständig machen konnten. Neben den drei bis vier jährlichen Exkursionen mit den Studenten oder mit einem Kreis von Freunden aus OVA und NABU, bei denen ornithologisch interessante Ziele in Deutschland und dem angrenzenden Ausland erkundet wurden, trieb es Gerhard Moll aber auch zu zahlreichen Reisen nach Übersee. Mindestens einmal pro Jahr erhielten seine Freunde Postkarten mit Papageien aus Mittelamerika, Pinguinen aus der Antarktis, Seeschwalben von den Alëuten oder einem Kea aus Neuseeland. Und auf jeder Karte hatte er ein halbes Dutzend oder mehr Erstbeobachtungen für seine „Life list“ zu vermelden; insgesamt finden wir dort 1.487 Vogelarten verzeichnet. Das Schreiben wissenschaftlicher Abhandlungen war Gerhard Molls Sache nicht, aber er hinterließ 85 Tagebücher, in denen unter anderem alle Vogelbeobachtungen täglich eingetragen wurden. Es war ihm ein wichtiges Anliegen, dass diese Daten auch einmal ausgewertet würden. In Hartmut Fehr, der ihn schon als Fünftklässler und später dann als Biologiestudent bei vielen seiner Exkursionen begleitete, fand sich schließlich der richtige Mann,

der 1991 das Buch über „Die Vögel im Norden des Kreises Aachen“ schrieb (Fehr, 1991: Die Vögel im Norden des Kreises Aachen. Beitr. Avifauna Rheinland Bd. 33; Gesellschaft Rheinischer Ornithologen, Hrsg.). Eine Ergänzung bis in das Jahr 2006 wird vorbereitet. Gerhard Moll führte auch eine Liste über alle Vogelarten, die er jemals im Nordteil des Kreises Aachen beobachtete und erreichte hier noch wenige Wochen vor seinem Tod mit dem Alpensegler die 207. Art

Am 15. September 2006 wurde die Urne von Gerhard Moll an der Seite seiner Frau auf dem Friedhof in Alsdorf-Kellersberg beigesetzt. Als der Trauerzug über den Friedhof schritt, war - der Jahreszeit entsprechend - kaum ein Vogel zu hören, nur ein Kleiber - der Vogel des Jahres - rief unaufhörlich. Hoch über dem Grab kreisten zwei Mäusebussarde am herbstblauen Himmel.

 

Gerhard Erdtmann

in: Charadrius 42, Heft 2, 2006 (2007): 91-92