Zur Flora der ehemaligen Deponie Maria Theresia

von Wolfgang Voigt

Es wird immer wieder behauptet, dass unsere von Landwirtschaft und Industrie dominierte Bördenlandschaft arm an Pflanzenarten ist. Das ist keineswegs so. Welch enormes Potenzial in ihr steckt, zeigt sich, wenn man längere Zeit Flächen vom Menschen unbeeinflusst brach liegen lässt. Die Bergehalden des Aachener Raumes sind hierfür ein gutes Beispiel. Wir stellen hier einen anderen Fall vor: das Gelände der ehemaligen Mülldeponie Maria Theresia in Herzogenrath, ein verfülltes Braunkohleloch, das der NABU Aachen-Land von der Stadt Aachen gepachtet hat und nunmehr im Sinne des Naturschutzes betreut. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die Fläche weitgehend als Offenland-Biotop erhalten bleibt.
Seit 1998 wird das Areal von Günter Venohr und mir regelmäßig begangen, um unter anderen die hier vorkommenden Pflanzenarten zu kartieren. Wichtige Erkenntnisse hierzu verdanken wir auch dem Merksteiner Hans Raida sowie Paul Spreuwenberg und Pierre Thomas, beide aus den Niederlanden.
Bis in den Juli 2002 sind insgesamt 245 Pflanzenarten registriert worden, Zugegeben, größtenteils sogenannte “Allerweltsarten”, aber was heißt das schon, wenn die meisten davon in unserer aufgeräumten Landschaft weggespritzt oder (umweltfreundlicher?) mechanisch beseitigt werden... Dass die einen oder anderen Gartenpflanzen hier ausgewildert sind, sollte bei der Vorgeschichte des Bereiches nicht verwundern. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl von botanischen Raritäten bis hin zu sogenannten Rote-Liste-Arten.
Wenn oben gesagt wird, dass Maria Theresia weitgehend offenes Gelände bleiben soll, so bedeutet dies nicht, dass man keinerlei Strauch- und Baumwuchs zulässt. Es gibt sehr wohl Gebüsche als Linienbiotope oder inselartige Feldgehölz-Strukturen. Letztere sind allerdings nicht gepflanzt, sondern man lässt natürlichen Aufwuchs einfach stehen und sich entwickeln. Hierher gehören Grau-Erle (Alnus incana), Hänge-Birke (Betula pendula), Kornelkirsche (Cornus mas), Roter Hartriegel (C. sanguinea), Eingriffliger Weißdorn (Crataegus monogyna), Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), Liguster (Ligustrum vulgare), Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum), Espe (Populus tremula), Schlehe (Prunus spinosa), Faulbaum (Rhamnus frangula), Hundsrose (Rosa canina), acht Weiden-Arten (Salix spec., darunter zwei Bastarde), Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) und Besenginster (Sarothamnus scoparius). Gepflanzt sind Echte Walnuss (Juglans regia), Holz-Apfel (Malus sylvestris) und Wild-Birne (Pyrus pyraster). Der größte Teil des Geländes wird allerdings durch weitläufige Grasflächen und durch Hochstauden-Fluren bestimmt. Dabei variieren die einzelnen Bestände je nach Feuchtigkeit des Bodens.
Bei den Gräsern sind folgende Arten vertreten: drei Straußgras-Arten (Agrostis gigantea, A. stolonifera, A. tenuis), Acker- und Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus myosuroides und A. pratensis), Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Weiche und Taube Trespe (Brimus mollis und B.sterilis), Land-Reitgras (Calamagrostis epigeios), sechs Seggen-Arten (Carex acutiformis, C. echinata, C. hirta, C. nigra, C. paniculata und C. pseudocyperus), Wiesen-Kammgras (Cynosurus cristatus), Gemeines Knäuelgras (Dactylis glomerata), Rasen-Schmiele (Deschampsia caespitosa), Rohr- und Schaf-Schwingel (Festuca arundinacea und F. ovina), Wolliges Honiggras (Holcus lanatus), sechs Binsen-Arten (Juncus articulatus, J. bufonius, J. conglomeratus, J. effusus, J. filiformis und J. inflexus), Englischs Raygras (Lolium perenne), Pfeifengras (Molinia caerulea), Wiesen-Lieschgras (Phleum pratense), Schilfrohr (Phragmites communis), drei Rispengras-Arten (Poa compressa, P. pratensis und P. trivialis), Sumpf- und Wald-Simse (Scirpus lacustris und S. silvaticus), Schmal- und Breitblättriger Rohrkolben (Typha angustifolia und T. latifolia), Rohrglanzgras (Typhoides arundinacea) und Mäuseschwanz-Fuchsschwingel (Vulpia myurus).
Unter den Blumen sind vor allem Vertreter aus den Familien Korbblütler, Schmetterlingsblütler, Lippenblütler und Doldengewächse zu nennen, die während der gesamten Vegetationsperiode eine Vielzahl von Insekten anlocken.
Aus der Fülle der Pflanzenarten sollen hier einige besonders hervorgehoben werden:
Sumpf-Schafgarbe (Achillea ptarmica), Echter Eibisch (Althaea officinalis), Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium minus), Roter Gänsefuß (Chenopodium rubrum), Englische und Wollige Kratzdistel (Cirsium dissectum und C. eriophorum, beide scheinen sich von den Niederlanden her auszubreiten), Gefleckter Schierling (Conium maculatum), Wilde Karde (Dipsacus silvester, auch auf den Halden sehr zahlreich), Behaartfrüchtige Platterbse (Lathyrus hirsututs), Salz-Hornklee (Lotus tenuis, neben dem wesentlich häufigeren L. corniculatus s. str.), Fieberklee (Menyanthes trifoliata, wahrscheinlich vor Jahren gepflanzt), Wurmlattich (Picris echioides), Knolliger und Großer Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus und R. lingua), Wasser-Ampfer (Rumex aquaticus) sowie Rautenblättriges und Jakobs-Greiskraut (Senecio erucifolius und S. jacobaea).
Was über die beiden Kratzdistel-Arten gesagt worden ist, gilt vor allem auch für zwei weitere Arten: die Gras-Platterbse (Lathyrus nissolia) und die Gelbe Bartsie (Parentucellia viscosa). Sie dürften von ihren ursprünglichen niederländischen Standorten hierher gekommen sein. Dabei erfährt die erstmals 1998 vom Autor festgestellte Gelbe Bartsie im Jahre 2002 eine explosionsartige Ausbreitung auf dem ehemaligen Deponie-Gelände.
Besonders erfreulich ist die Zunahme und Ausbreitung der Orchideen-Arten. Es sind dies:
Übersehenes Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa, erstmals 1998 festgestellt), Fuchs’ Knabenkraut (D. fuchsii, 1995), Geflecktes Knabenkraut (D. maculata, 1998), Breitblättrige Sumpfwurz (Epipactis helleborine, 2001), Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera, 2001),