Das Braunkehlchen
Vogel des Jahres 2023
Das Braunkehlchen regiert im gesamten Jahr 2023 als Vogel des Jahres. Bei der Wahl im Oktober 2022 stand der „Wiesenclown“ mit 43,5 Prozent der Stimmen mit deutlichem Abstand zur Konkurrenz hoch in der Gunst der Wähler*innen. Den Neuntöter überholte das Braunkehlchen rechts, denn der lag vor der Wahl bei einer Umfrage unter NABU Mitarbeiter*innen ganz vorne. Hat hier ein Mitleidsfaktor den Sieg beeinflusst? Möglich wäre es, denn das Braunkehlchen ist stark gefährdet: Es steht fast überall in Europa auf der Roten Liste. Auch in Deutschland gehen die Bestandszahlen seit Jahren immer weiter zurück
Während des ganzen Jahres 2023 wird der NABU verschiedenste Aktionen zum Braunkehlchen gestalten.
Start-Ziel-Sieg: Ab Stunde eins der Wahl lag das Braunkehlchen in Führung, an der es bis zum Wahlende unbestritten festhielt. Das Endergebnis betrug satte 58.000 Stimmen, so blieb dem Feldsperling mit 24.000 Stimmen nur der Silberrang übrig. Neuntöter und Trauerschnäpper folgten in geringem Abstand mit 22.000 und 21.000 Stimmen. Das Teichhuhn war am Ende mit 8.800 Stimmen weit abgeschlagen. Auch in Österreich wurde das Braunkehlchen über BirdLife zum Vogel des Jahres ausgerufen – Zufall oder letzter Hilferuf?
Steckbrief
Das 12 bis 14 Zentimeter kleine und 15 bis 24 Gramm leichte Braunkehlchen (Saxcicola rubetra) gehört „zu den muntersten, unruhigsten, bewegungslustigsten und hurtigsten Vögeln unseres Vaterlandes“, sagt schon der Klassiker „Brehms Tierleben“. Es ist seit mindestens 1758 kategorisiert als zugehörig zu den Sperlingsvögeln, zur Familie Fliegenschnäpper (Muscicapidae) und zur Gattung Wiesenschmätzer (Saxicola).
Braunkehlchen sind echte Europäer, 75 Prozent des weltweiten Bestandes leben hier, mehr als die Hälfte davon in Skandinavien und Russland. In Deutschland mit seinen 19.500 bis 35.000 Brutpaaren hat Mecklenburg-Vorpommern zwar den größten Braunkehlchen-Bestand, grundsätzlich sind sie aber fast überall zu finden, fühlen sie sich doch vom Tiefland bis zum Mittelgebirge wohl - selbst auf dem Tempelhofer Feld mitten in Berlin wurden schon einzelne Brutpaare beobachtet
Zwar ist das Gefieder nicht so auffällig wie bei anderen Kehlchen-Vögeln, trotzdem ist das Braunkehlchen mit seinem auffällig weißen Augenband (Überaugenstreif genannt) hübsch anzusehen. Wegen diesem weißen Streifen, der wie eine Clownsmaske aussieht, erhielt es von Ornithologen den Kosenamen „Wiesenclown“. Seine Kehle und Brust zeigen Orangebraun, der Rücken ist braun mit dunklen Flecken. Wie bei den meisten Vogelarten sind die Weibchen dezenter, eher in Beige-Braun-Tönen gefärbt. Beim Auffliegen blitzt bei Weibchen und Männchen die weiße Schwanzbasis hervor.
Der Ruf des Männchens dient dazu, Weibchen anzulocken und ihr Revier zu markieren. Es ist ein weiches „djü“, ähnlich wie beim Gimpel (Dompfaff). Anders als bei diesem folgt jedoch ein kurzes, charakteristisches Schnalzen. Der Gesang besteht aus verschiedenen eher rauhen Strophen, die immer schneller werden und dann abrupt enden
Wo sitzen Braunkehlchen gerne? Da sie immer den Überblick haben wollen, bevorzugen sie hohe Standorte (Ansatzwarten), zum Beispiel Zaunpfähle, einzeln stehende Sträucher und Hochstauden wie Distel oder Schilfhalme. Hier singen sie, von hier aus fliegen sie ihr Nest an und starten ihre Jagdflüge. Als kleine Unruhegeister - ähnlich wie Rotkehlchen - knicksen sie oft und wippen mit dem Schwanz. Der hohe Standort birgt jedoch auch Gefahren: Sichtbarkeit für Bussard, Rotmilan und andere Greifvögel! Taucht ein solcher am Himmel auf, greift das Braunkehlchen in die Trickkiste: Es erstarrt vollständig unbeweglich in gestreckter Haltung, der so genannten „Pfahlstellung“. So hofft es darauf, farblich mit der Umgebung zu verschmelzen und unentdeckt zu bleiben.
Lebensraum und Brut
Braunkehlchen benötigen als Lebensraum frische bis feuchte Flächen mit vielen Insekten, wie sie blütenreiche Wiesen, Brachen und Gewässerrandstreifen bieten. Hier brüten sie in Bodennestern. Für ihre Nestanlage nutzen sie Moos, Gräser und Halme – eben alles an Material, was auf einer Wiese zu finden ist. Die weich gepolsterte runde Kinderstube wird möglichst gut am Boden versteckt - Tarnung ist bei einem Bodenbrüter wie dem Braunkehlchen alles. Außerdem benötiget es eine Kraut- und/oder Zwergstrauchschicht, die dem Nest Deckung und auch Nahrung „direkt vor der Haustüre“ bietet. Die Brutzeit ist von Mai bis August. Im Mai legt das Weibchen vier bis acht blaugrüne Eier, die es 12 bis 15 Tage lang alleine ausbrütet. Genauso ungeduldig wie die Eltern, verlassen die Jungvögel das Nest schon nach etwa 15 Tagen (abhängig von Faktoren wie Fütterung, Insektenmenge, Anzahl der Jungen u.ä.), obwohl sie erst 3 bis 4 Tage später flügge werden. Bis dahin verstecken sie sich in der Nähe des Nestes und werden weiter von den Eltern gefüttert.
Auf dem Speiseplan von Braunkehlchen stehen diverse Insekten, Würmer, Schnecken und Spinnen, im Herbst auch Samen und Beeren.
Vom Aussterben bedroht
Durch intensive Landwirtschaft und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist das Braunkehlchen massiv bedroht, denn die Wiesen, Brachen und Gewässerränder, die es zum Überleben benötigt, verschwinden immer mehr. Ist die Gehölzdichte zu hoch, kommt der Vogel nicht mehr. Je nach Region gingen die Bestände um 50 % bis weit über 90 % zurück. In vielen Gebieten sind die Populationen bereits erloschen. Bei der letzten „Stunde der Gartenvögel“ 2022 landete das Braunkehlchen weit hinten auf Platz 136! In Deutschland gibt es nur noch 19.500 bis 35.000 Brutpaare, Tendenz stark fallend. Noch vor 10 Jahren konnte man Braunkehlchen in unserer Region im Monschauer Raum öfter beobachten. Im letzten Jahr ist keine einzige Beobachtung gemeldet worden.
Die Brutzeit ist so knapp, dass es immer nur eine Jahresbrut gibt. Da Braunkehlchen nur eine Lebenserwartung von durchschnittlich zwei Jahren haben, ist die erfolgreiche Brut überlebenswichtig für die Art!
Leider stören auch freilaufende Hunde die Brut und die Jungvögel sind leichte Beute für Hauskatzen. Sie können helfen, wenn Sie zur Brutzeit Hunde an die Leine nehmen und wenn Sie beim Einkauf auf regionale, ökologisch (ohne Pflanzenschutzmittel) produzierte Lebensmittel zurückgreifen. Helfen können Sie auch, wenn Sie in der Brutzeit die Hundehaare nicht im Freien ausbürsten – im Gegensatz zur landläufigen Vermutung sterben nämlich viele Vogeljunge nicht an Pflanzengiften sondern an dem Gift aus Flöhen- und Zeckenmitteln, die sich in den Haaren der Hunde befinden, mit denen die Eltern das Nest polstern.
Da das Braunkehlchen schon 1999 auf der niederländischen Roten Liste gefährdeter Arten stand, wurde am 2. Februar 1999 der Asteroid des inneren Hauptgürtels (8592) „Rubetra“ nach ihm benannt.
Andere Kehlchen wie Rot-, Schwarz- und Blaukehlchen konnten sich besser behaupten und sind nicht so gefährdet wie das Braunkehlchen.
Warmes Winterquartier
Das Braunkehlchen ist ein Langstreckenzieher, der nur von April bis Mitte August / Anfang September in Europa verweilt. Sein Titel „Vogel des Jahres“ wurde ihm also in Abwesenheit verliehen. Auf der Reise ins Winterquartier vollbringt der zierliche Vogel eine bärenstarke Leistung: 5000 Kilometer hat er hinter sich, wenn er in den Savannen und Grasländern südlich der afrikanischen Sahara ankommt! Wie viele andere Zugvögel ziehen Braunkehlchen nachts, tagsüber suchen sie Nahrung oder ruhen sich aus. Im April werden sie zurückkehren
Quellen:
LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz): Braunkehlchen;
https://www.lbv.de/ratgeber/naturwissen/artenportraits/detail/braunkehlchen/
NABU: Naturschutz heute, Winter 2022
NABU: Insektenreiche Wiesen dringend gesucht; Vogel des Jahres im Porträt ;
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/2023/32601.html
Wikipedia: Braunkehlchen; https://de.wikipedia.org/wiki/Braunkehlchen